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Blonder Wirbelwind rockt in der Rocca

16.12.2022
Autorin und Sängerin Kenny Behnke-Grapp las aus ihrem Buch "Hellcarts"

Zum „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ stellte die Armamputierte Autorin Kenny Behnke-Grapp ihr Erst-lingswerk „Hellcats“ vergangenen Donnerstag im Saal des Roccas vor. In dem fiktiven Roman einer berühmten Heavy-Metal-Band verarbeitet sie ihr eigenes traumatisches Erlebnis, dass zur Armamputation geführt hat. Die Lesung würzte sie mit bekannten Rocksongs, die sie zwischendurch vortrug.

Bruno Stratz und Esther Weber von der Emmendinger Geschäftsstelle für Behindertenbeauftragte hatten zum „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ die Rocksängerin Kenny Behnke-Grapp aus Römerberg in der Pfalz geladen, um ihren Roman „Hellcats“ zu präsentieren. Der 69-jährige Rollstuhlfahrer Stratz war der erste Behindertenbeauftragte Bundesweit und lebt seinen Beruf bis heute voller Leidenschaft aus. Er hatte die Idee zu diesem Event und führte den Blick der rund 50 Anwesenden auf die verschiedenen Alltagsschwierigkeiten bei Menschen mit Behinderung. Neben der fehlenden Barrierefreiheit in vielen Geschäften und Arztpraxen, mahnte er auch den fehlenden Mindestlohn in Behindertenwerkstätten an. Seine Kollegin und Leiterin der Geschäftsstelle Weber moderierte die Lesung im Rocca.
Bürgermeister Markus Hollemann begrüßte die Anwesenden als Hausherr, darunter auch MdB Alexander Schoch von den Grünen, und genoss später sichtbar die rockigen Einlagen des „Blonden Wirbelwindes“. Der Rathauschef spekulierte auf eine verwandtschaftliches Verknüpfung der Autorin mit der ebenfalls anwesenden Gemeinderätin Elfriede Behnke. Die Autorin klärte auf, dass sie seit vielen Jahren mit Behnkes Sohn verheiratet sei.
Als Armamputierte Heavy-Metal-Sängerin verarbeitete Behnke-Grapp ihre eigene Lebensgeschichte ummantel mit fiktiver Prosa in ihrem Debüt „Hellcats“. Dort fällt dem Gitarristen Darren der berühmten Liverpooler Heavy-Metal-Band „Hellcats“ nach einem Auftritt im betrunkenen Zustand ein Koffer im Tourbus auf den Arm. Was als vermeintlich leichte Quetschung zuerst ignoriert wird, entwickelt sich am nächsten Tag zum Alptraum von Darren, denn mit Taubheitsgefühlen in den Fingern kann er den kommenden Auftritt nicht absolvieren. Statt dessen landet er im Krankenhaus und bekommt den Arm amputiert, denn die geschwollene Muskulatur hatte die Blutzufuhr zum Unterarm unterbrochen und das Gewebe war bereits abgestorben. Um einer tödlichen Sepsis zu entgehen, wird die OP unumgänglich.
Die Autorin klärte über dieses „Kompartment-Syndrom“ genau auf, denn auch sie verlor ihren Unterarm auf diese Weise während einer Urlaubsreise ins philippinischen Manila. Ihr war beim Öffnen eines Schrankes ein Koffer voller Bücher auf den Arm gefallen. Zwei Tage später landete sie zur Amputation auf dem Operationstisch. Das war vor zehn Jahren. Seither hat sich die einstige Dolmetscherin für Englisch, Italienisch und Niederländisch ins Leben zurückgekämpft.

Den Kopf frei singen
Behnke-Grapp war schon immer Sängerin im Heavy-Metal-Genre. Die Musik und auch die Bandmitglieder ihrer Coverband „Black Wolf“ fingen sie damals auf. Als Solistin tourt sie heute mit ihrem Programm als „Kenny Rock“ durch die Lande. Mit rauchiger, tiefer Altstimme präsentierte sie daher nach dem ersten Leseset ihre Coverversionen zu „Every Rose has its Thorn“ von Poison, „I love Rock´n Roll“ von Alan Merrill of the Arrows & Joan Jett sowie „Smoke on the Water“ von Deep Purple. Die Rocklady entledigte sich dabei schnell ihrer Prothese, denn mit ihrer quirligen Art „könne der Arm sonst versehentlich ins Publikum fliegen“.
Im zweiten Leseset ging sie auf das veränderte Leben nach der Amputation des ehemaligen Gitarristen ein. Hier der Umbau des Autos, da das Erlernen der Grobmotorik der Prothese, dort die Versuche der Freunde, Lebensmut zu schenken. Aber auch die inneren Veränderungen kamen zum Anklang. So spiegelt das Buch ihren eigenen inneren Kampf um das neue Selbstwertgefühl wieder. Auch diesen Teil schloss sie mit weiteren musikalischen Darbietungen wie „Nothing else matters“ von Metallica, „Rockin´all over the world“ von Status Quo und „Living after Midnight“ von Judas Priest. Dabei wirbelte sie über die Bühne, wie einst Suzi Quatro, und riss die Zuhören im wahrsten Sinne des Wortes von den Stühlen, denn Einige konnten nicht länger ohne zu Tanzen sitzen bleiben. Sie entkam daher der geforderten Zugabe nicht, die sie mit ZZ-Tops „Sharp dressed Man“ erfüllte.
Ehe es die obligatorische Autogrammstunde gab, stellte sich die selbstbewusste 53-jährige den Fragen aus dem Publikum. So erfuhr man, dass ihre Prothese vier verschiedene Griffe beherrscht und sich auch drehen lässt. Allerdings „macht die Hand auch manchmal was sie will“. Menschen und Tiere damit anfassen sei damit tabu, denn dabei könnte schon mal versehentlich ein Knochen zerquetscht werden. IM Verein „Anpfiff fürs Leben“ treibt sie mit Gleichgesinnten gemeinsam Sport, auch wenn sie mit ihrer Armamputation mal wieder die Ausnahme sei.

Presseartikel von Alex Zane, vHzH
Fotos: Gemeinde Denzlingen